Aus dem globalen Süden lernen - Interview zur Belegschaftsübernahmen in Brasilien

Das Interview wurde am 04. August im taz-Blog veröffentlicht -> LINK.

von Christian Russau

Interview: Belegschaftsübernahmen insolventer Unternehmen

Im September 2015 findet in Berlin der Kongreß Solidarische Ökonomie 2015: www.solikon2015.de statt. Unter den Gästen wird auch Dr. Flávio Chedid vom Nukleus für technische Solidari­tät der Universität Rio de Janeiro sein. Hier ein Interview mit ihm über Belegschaftsübernahmen, Wiederingangsetzung der Unternehmen durch die Arbeiterinnen und Arbeiter und welche Schwierigkeiten, Herausforderungen und Chancen sich stellen.

Das Interview führten Katrin Wiemer, Clarita Müller-Plantenberg und Gerald Hoffmann-Mittermaier.

Flávio Chedid. Photo: privat

Welche Unterstützung war für die Arbeiter bei Belegschaftsübernahmen unbedingt notwendig?

Viele Fälle von Wiederingangsetzung von Unternehmen fanden statt nach der Besetzung der Fabriken und ohne die Erlaubnis der alten Inhaber oder der Justiz. Der Kampf beginnt bei den Bedürfnissen der Arbeiter, die sich ohne vorherige Kenntnis dieses Prozesses zu organisieren beginnen.

Viele dieser Fälle zeigen, dass es absolut möglich ist, das Unternehmen in Gang zu setzen, ohne dass die alten Unternehmensleiter anwesend sind. Der Lernprozess findet in den meisten Fällen in der Praxis statt. Natürlich gibt es Fälle (setores), die die Gegenwart von Fachleuten erfordern, wie z.B. Ingenieuren, um einfach den Betrieb in Gang zu setzen, wie etwa eine Mine in Südbrasilien. Ingenieure, die bereit sind, mit den Belegschaftsübernahmen zu arbeiten, sind knapp. Im Falle dieses Bergbauunternehmens musste ein Beschäftigungsvertrag mit Fachleuten gemacht werden, die auf dem Markt verfügbar waren und deren Wertvorstellungen die des Marktes waren. Auf Grund der Asymmetrie, die zwischen Ingenieuren und Bergarbeitern existierte, optierten diese dafür, die Ingenieure nicht zu Mitgliedern des Unternehmens zu machen, sondern zu Angestellten der Bergarbeiter. Es ist ein interessanter Fall, um die gewählte Lösung zu verstehen. Es ging darum, die zuvor existierende Asymmetrie zu verringern.

Aber meiner Meinung nach ist die wichtigste Unterstützung für diese Erfahrungen die der Nachbarn und sozialen Organisationen, die bereit sind zu kämpfen, um zu ermöglichen, dass die Besetzung stattfindet und diese Arbeiter das Recht haben, ihre Tätigkeiten weiter auszuüben. In Argentinien gibt es sehr interessante Fälle von kleinen Unternehmen, die Hunderte, ja Tausende mobilisierten, um vor ihren Werkstoren gegen die Räumung zu kämpfen, wie der Fall des Grafikunternehmens Chilavert zeigt.

(...den vollständigen Artikel findet ihr unter

blogs.taz.de/latinorama/2015/08/04/interview-belegschaftsuebernahmen-insolventer-unternehmen/)

 

Terminhinweise:

Kongress Solidarische Ökonomie 2015

TU – Technische Universität; Straße des 17. Juni Nr. 136
11.September 9:00-10:30 Uhr
Workshop: Können wir etwas gegen Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung tun?
Ja – wir können vom Süden lernen: z.B. von Caritas Brasilien
Pioniere beim Aufbau von solidarischen Initiativen und Wirtschaftsunternehmen

Im Workshop können wir von Rosangela Alves de Oliveira lernen, wie die Gründungsberatung (Inkubation) von solidarischen Wirtschaftsunternehmen durch die Caritas Brasilien durchgeführt wurde. Sie hat unter Arbeitslosen und Unterbeschäftigten nach der Methode Paulo Freires Gruppen auf Augenhöhe beraten, die erkannten, dass sie selbstverwaltet eine wirtschaftliche Aktivität in ihrer Gemeinschaft aufnehmen könnten.

11. September 2015 18:30 Uhr
Podium: Aus dem Globalen Süden Lernen
Thema für das Podium ist die Bewegung der Solidarischen Ökonomie in Brasilien. In Brasilien geht der Aufbau Solidarischer Ökonomie aus vom Forum Solidarische Ökonomie, sowie von den geforderten politischen Rahmenbedingungen über das Nationale Sekretariat für Solidarische Ökonomie im Ministerium für Arbeit und Beschäftigung. Die Fragen richten sich auf die Organisationsstruktur, die Vernetzung und Durchsetzungsfähigkeit sowie auf die politischen Rahmenbedingungen und davon ausgehend auf Perspektiven der Trans­formation.

12. September 2015 11:00-12:30 Uhr
Forum: University Solidarity Economy Networks – Exchanging experiences
With this workshop, we would like to invite scholars to share their experiences and to collectively think about possible avenues of cooperation, such as common calls for action and the formation of an international university network around the theme of building solidarity economies. Brazilian universities play an important role in incubating solidarity economy enterprises. Two university networks exist comprising around 40 universities each, which explicitly promote such incubation processes.

12. September 2015 14:30-16 Uhr Forum
Forum: „Kommunen und Solidarische Ökonomie“

Wir wollen Akteure einladen, die Kommunen und andere Gebietskörperschaften im Interesse der Bewohner verwalten wollen, die solidarische, regionale, alternative Wirtschaftskreisläufe fördern und wir wollen uns von guten Praktiken inspirieren lassen..
Zielsetzung der Veranstaltung ist, anhand guter Praxis zu zeigen, wie solidarisch wirtschaftende Unternehmen und Gemeinwesen von einer Zusammenarbeit profitieren können.